Mein „Spiegelreflex-Fuhrpark“ von früher bis heute. (Foto: Andreas Lerg)

Mal wieder so wie früher fotografieren

Da liegt sie also auf dem Tisch, meine komplette „Spiegelreflex-Vergangenheit“, meine „Kamerageschichte“. Ich habe mal alle meine Schätzchen aus der Vitrine geholt. Und diese Zeitreise ist sogar noch unvollständig, denn ich habe mich tatsächlich nur auf die Kameras beschränkt, die nach dem Prinzip der Spiegelreflex-Technologie aufgebaut sind. Es sind damit auch die Kameras, mit denen ich auch tatsächlich gearbeitet und viel fotografiert habe. Und alle, auch die alten Schätzchen, funktionieren noch! Die anderen Kameras, die da eher aus Sammelleidenschaft oder per Zufall in meiner Vitrine gelandet sind, also die Agfa Box oder die Agfa Clack und andere bleiben heute mal außen vor.

Mit einem Geschenk zur Kommunion fing es an

Ok. Was liegt hier alles auf dem Tisch? Zunächst die Cosina CT-1, die ich zur Kommunion geschenkt bekommen habe und die meine Leidenschaft der Fotografie geweckt und entfacht hat. Dann meine erste Nikon, die F301, die ich mir von dem Geld gekauft habe, das ich in Ferienjobs verdient habe. Mir der F301 habe ich unzählige Filme durchgejagt und ich hatte sie auch auf ersten Reisen dabei, die man ohne Eltern unternommen hat. Beispielsweise meine erste Reise in die USA.

Schon der Unterschied zwischen meiner ersten Spiegelreflex (links) und der Nikon F301, beides analoge Kameras, war gewaltig. Die eine voll manuell, die andere schon mit motorischem Filmtransport und diversen Automatiken.

Wechsel zur digitalen Fotografie

Irgendwann kam dann das Thema Digitalfotografie auf, das ich faszinierend fand, aber lange ignoriert habe. Die Preise, die da für die ersten Digitalkameras aufgerufen wurden, waren von absurder Höhe und damit einfach nicht zu bezahlen. Doch dann, im Jahr 2004, kam mit der Nikon D70 eine erste DSLR auf den Markt, die für mich tatsächlich bezahlbar war. Deren DX-Sensor bot eine Auflösung von 6,1 Megapixeln, was maximal 3039 mal 2014 Pixeln entspricht. Das war mein Einstieg in das Thema Digitalfotografie. Auch diese Kamera hat mich lange, viel und weit begleitet. Die Zahl der Objektive wuchs im Laufe der Zeit.

Zwischen meiner aktuellen Nikon D750 und meiner ersten Spiegelreflex.Kamera Cosina CT-1 liegen Welten. Auch was die Abmessungen und das Gewicht betrifft.

Eher durch Zufall kaufte ich im Jahr 2009 die Nikon D90. Ich war in einem Mediamarkt, der nach Umbau und Renovierung Neu-Eröffnugn feierte. Dort wurden aus diesem Anlass sehr gute Angebote gemacht. Ich bin eigentlich nur herum geschlendert und wollte mal gucken aber nichts kaufen. Da fiel mir in der Fotoabteilung die relativ neu auf dem Markt erschienene D90 im Set mit einem Objektiv ins Auge. Und aus Jux fragte ich den Verkäufer, ob er den (sowieso schon sehr guten Preis) vielleicht noch etwas attraktiver machen könnte. Konnte er und so ging ich unverhofft mit der Nikon D90 nach Hause. Die Nikon D70 wanderte – na wohin wohl – in die Vitrine und die D90 wurde damit zu meinem „Arbeitstier“.

ENDLICH VOLLFORMAT

Tatsächlich habe ich mit der D90 zehn Jahre lang sehr gerne und auch sehr viel fotografiert und erst im November 2019 habe ich mir dann den lang ersehnten Wunsch nach einer Vollformatkamera von Nikon erfüllt und mir die Nikon D750 gekauft, denn diese war zu einem sehr guten Preis zu haben. Da ich schon das eine oder andere FX-Objektiv hatte, war für der Wechsel von DX auf FX im Prinzip zunächst nur der Kauf der Kamera nötig. Natürlich kam aber bald der Wunsch nach „neuem Glas“ auf, sodass in diesem Frühjahr das Sigma 14-24mm F2,8 DG HSM Art in meiner Fototasche landete. Ok, genug der Schwärmerei und Technikgeschichte. Kommen wir zum Thema!

Die Nikon D750 mit dem Sigma 14-24mm F2,8 ist schon ein gewaltiger Brocken. Die Kombination bringt circa zwei Kilo auf die Waage.

Mal wieder so wie früher fotografieren

Der Grund, warum ich den alten Fuhrpark wieder hervorgeholt habe, ist der, dass ich mal wieder „Film fotografieren“ will. Also analog. Eben so wie früher! Wie Du auf dem Sammelbild siehst, habe ich mir dazu auch zwei Filme gekauft. Einen Schwarzweiß-Film und einen Farb-Film. Den Schwarzweiß-Film werde ich mit der Cosina CT-1 belichten und den Farbfilm mit der Nikon F301. Aber warum mache ich das Ganze? Und warum empfehle ich auch Dir, ab und zu mal wieder analog zu fotografieren?

Ganz einfach. Die alte, analoge Technik bremst mich und dich herunter. Sie zwingt uns dazu, uns beim Fotografieren Zeit zu lassen! Sie zwingt uns dazu, bewußter und auch disziplinierter zu fotografieren! Und das aus mehreren Gründen, die ich dir hier kurz nennen möchte.

1. Analoges Fotografieren kostet Geld

Bei einer Digitalkamera kaufst Du die Kamera, Objektive und eine Speicherkarte. Du hast also im Prinzip „nur“ eine Startinvestition. Danach kannst Du die Speicherkarte „vollballern“, denn es entstehen – im Prinzip – durch das Fotografieren selbst keine direkten Folgekosten. Also draufhalten und von einem Motiv 10, 30 oder 50 Fotos machen, es wird schon ein brauchbares dabei sein. Das auf den Auslöser drücken kostet nichts mehr und geschieht entsprechend oft. Du hast dann später allerdings die Qual der Wahl und musst aus dutzenden, hunderten oder vielleicht sogar tausenden Fotos das oder die passenden heraussuchen.

Ein Film für eine analoge Kamera aber kostet zunächst einmal den Kaufpreis. Die beiden Filme oben im Bild beispielsweise haben 4,45 Euro für den Schwarzweiß-Film und 4,95 Euro für den Farbfilm gekostet. Der Schwarzweiß-Film hat 36, der Farbfilm 24 Aufnahmen. Jedes Drücken auf den Auslöser kostet also 12 Cent beim Schwarzweiß-Film und 20 Cent beim Farbfilm. Und nach dem Belichten musst Du den Film auch in ein Fachlabor schicken und entwickeln lassen. Dann kannst Du das Negativ digitalisieren lassen, damit Du deine Aufnahmen als Dateien hast. Und wenn Du auch „echte Fotos haben willst“, musst Du noch Abzüge machen lassen. Auch das alles sind direkte Folgekosten. Du kannst also davon ausgehen, dass das Belichten eines Filmes über den Daumen gepeilt insgesamt circa 15 Euro kostet.

Ich habe einmal einen Muay Thai-Wettkampf fotografiert. An diesem Abend habe ich in der Sporthalle, in der der Wettbewerb stattfand, über 1300 Aufnahmen gemacht, denn bei schnellen, dynamischen Sportarten kannst Du nur mit dem Dauerfeuer der Serienbildfunktion Treffer laden. Zum Schluss hatte ich eine recht gute Ausbeute von 50 gelungenen Fotos. Aber die 1300 Aufnahmen hätten, auf Film geschossen, 260 Euro gekostet und zwar nur was den Einkauf des Filmmaterials betrifft. Ich hätte dafür analog grob geschützt 54 Filmrollen belichten müssen, wenn wir von dem oben genannten 24er Farbfilm ausgehen. Und von den Entwicklungskosten wollen wir hier besser garnicht erst anfangen.

Das sind drei von knapp 50 „guten“ Bildern, die nach der Selektion aus 1300 gemachten Aufnahmen übrig geblieben sind,

Wenn Du analog fotografierst, dann hast Du diese Folgekosten pro Film, ja pro Aufnahme mehr oder minder bewußt im Hinterkopf. Die Folge: Du „ballerst“ nicht dutzende Aufnahmen durch in der Hoffnung, ein gutes Bild wird schon dabei sein. Nein. Du fotografierst viel bewußter, sozusagen kostenbewußter. Du gibst Dir viel mehr Mühe, wendest mehr Sorgfalt auf bei der Suche nach einem guten Motiv, bei der Einstellung der Schärfe, der Belichtung. Du machst eher nur ein oder zwei Aufnahmen von einem Motiv und gibst Dir dabei viel mehr Zeit und strengst dich viel mehr an, als bei der digitalen „kostenlosen“ Fotografie.

2. Analoges Fotografieren ist langsamer

Eine moderne Digitalkamera ballert sechs, acht, zehn oder sogar mehr Bilder pro Sekunde durch und auf eine Speicherkarte gehen tausende oder mindestens mehrere hundert Bilder drauf. Eine analoge Kamera hat viel mehr Mechanik. Neben dem Verschluss muss auch der Film bewegt, also weiter gespult werden. Daher ist eine analoge Kamera langsamer, selbst, wenn sie ebenfalls eine Serienbildfunktion haben sollte. Und ein richtig altes Schätzchen wie meine Cosina CT1 funktioniert dabei noch voll mechanisch. Kein Motor spult den Film ein Bild weiter, sondern das geschieht mit dem Daumen und dem „Schnellspannhebel“, der den Verschluss wieder spannt und eben den Film ein Bild weiter bewegt.

Und dann musst Du das Fotografieren auch unterbrechen wenn der Film voll ist. Du musst also den Film wechseln. Auch das braucht Zeit und macht das Fotografieren eben langsamer. Analog Fotografieren geschieht also zwangsweise entschleunigt. Und auch das bietet Dir Gelegenheit, es eben langsamer und bewußter zu tun.

Die Cosina CT-1 ist so kompakt wie heute manche Kompaktkameras. Zugegeben, ich habe große Hände, aber diese Spiegelreflexkamera ist im Wortsinne handlich.

3. Analoges Fotografieren lehrt dich zu warten und es lehrt dich Disziplin

Ein weiterer ganz wichtiger Unterschied zur Digitalfotografie ist, dass Du beim „Film fotografieren“ nicht sofort sehen und prüfen kannst, ob die Aufnahme etwas geworden ist. Du musst den Film erst einmal ins Labor schicken und erst wenn die Negative beziehungsweise die Abzüge zurück kommen, siehst Du, „ob Du für die Wand oder die Tonne“ fotografiert hast.

Mit anderen Worten auch das bringt dich dazu, dir mehr Mühe zu geben, sorgfältiger und bewußter zu arbeiten. Du setzt dich eben wieder mehr mit der Belichtung und Bildgestaltung auseinander, weil Du eben nicht mal eben aufs Display schauen und „dann noch ein paar mehr“ machen kannst, wenn die Aufnahme verkackt ist.

Und auch hier kommt wieder die Tatsache dazu, dass Du jedes verkackte Bild trotzdem bezahlen musst, wenn Du den Film entwickeln lässt. Wer bezahlt schon gerne für Murks? Deshalb wirst Du dich viel mehr bemühen, möglichst keine Aufnahme zu vermurksen. Du wirst auch nicht mehr wie mit einer digitalen Schrotflinte draufhalten um neben fielen Fehlschüssen auch ein gutes Motiv zu erwischen, sondern Du wirst sorgfältig und gezielt schießen. Man möge mir das Abschweifen ins Jägerlatein verzeihen.

Analoges Fotografieren lehrt dich zu fotografieren

Moderne Digitalkameras, aber auch Smartphones arbeiten auf Wunsch voll automatisch. Du musst nur draufhalten und abdrücken. Um die Belichtung und alle nötigen Einstellungen kümmert sich die Kamera. Wenn Du aber mit einer quasi komplett analogen Kamera arbeitest, dann musst Du alles selbst machen. Du musst nach dem Einlegen des Filmes darauf achten, dass Du die richtige Filmempfindlichkeit einstellst. Und für jedes Bild musst Du die passende Kombination aus Blende und Verschlusszeit wählen, um ein gut belichtetes Foto zu bekommen.

Deshalb beispielsweise liebe ich meine uralte Cosina CT-1, denn da muss ich alles manuell machen. Im Sucher sehe ich lediglich eine „Lichtwaage“, also einen Zeiger, der zwischen Plus und Minus schwankt und mir grob anzeigt, ob ein Foto richtig beichtet ist oder aber über- oder unterbelichtet ist. Ich bin der Fotograf, nicht die Automatik. Damit lernt man automatisch wieder ganz bewußt den Umgang mit den Einstellmöglichkeiten, die eine Kamera bietet. Und zwar auch eine digitale, denn auch dort arbeitest Du mit Blende, Verschlusszeit und ISO-Wert. Wenn Du dich hier analog (wieder) fit machst, klappt das auch digital besser und bewußter.

Und weil der Film mit maximal 36 Aufnahmen eine begrenzte und wie erwähnt kostenpflichtige Ressource ist, bist Du auch sorgfältiger und anspruchsvoller bei der Wahl deiner Motive. Statt „draufhalten, es wird schon was dabei sein“ nimmst Du Dir Zeit eine Szene zu finden oder auch zu arrangieren, die es Wert ist „kostenpflichtig“ fotografiert zu werden.

Analoges Fotografieren toleriert viel weniger Fehler

Eine moderne Digitalkamera bietet die Möglichkeit, um RAW-Format zu fotografieren. In einer solchenRAW-Aufnahme stecken unglaublich viele Informationen und man kann in der Nachbearbeitung am Computer noch sehr vieles auch aus einer halbwegs schlechten Aufnahme heraus holen und retten. Du kannst den Weißabgleich ändern, die Belichtung korrigieren, den Kontrast, die Farben, deren Sättigung, Brillanz und Gewichtung verändern. Du kannst die Schärfe nachziehen und noch vieles mehr machen.

Ein Film verzeiht Dir viel weniger Fehler. Wenn du eine Aufnahme nicht gut oder sogar sehr schlecht belichtet hast, kannst Du viel weniger retten. Ist eine Partie des Bildes “schwarz abgesoffen“ und so auf die Emulsion des Filmes gebannt, kannst Du nichts mehr retten. Ist eine helle Stelle „weiß ausgebrannt“ gilt das gleiche. Bei einer RAW-Aufnahme ist in gewissen Grenzen noch einiges machbar. Bei einem Foto auf Film nicht. Auch nicht, wenn Du das Negativ oder den Fotoabzug scannst und digital nachbearbeitest. Auch das lehrt dich wiederum, sorgfältiger und bewußter zu arbeiten, wenn Du fotografierst. Du gibst Dir mehr Mühe, bist anspruchsvoller und ehrgeiziger.

Analoges Fotografieren ist sinnlicher und haptischer

Was ich auch schön finde ist, dass das analoge Fotografieren sinnlicher und haptischer ist. Du fasst mehr an und hantierst mehr mit der Technik. Beispielsweise, wenn Du den Film in die Kamera einlegst und auf den Wickelkern des Filmtransportmechanismus einfädelst. Oder wenn Du ihn bei einer rein mechanischem Kamera mit dem Schnellspannhebel weiter drehst oder ihn zurück in die Kapsel kurbelst, wenn er voll ist. Es wird mehr hantiert beim Fotografieren. Das finde ich toll.

Bei den alten, analogen Kameras sieht man viel mehr von der Technik. Hier der Verschluss in der Mitte und die Filmtransportmechanik rechts.

Fazit

Fotografieren Sie wie früher macht (mir) immer noch Spaß und es hilft dabei, das wir uns als Fotograf weiter entwickeln und wieder etwas bewußter und disziplinierter fotografieren. Es ist haptisch, nostalgisch und trotzdem funktioniert es vom Grunde und den Anforderungen an den Fotografen her genau so, wie das „moderne Fotografieren“. Wenn ich die beiden Filme mit den beiden analogen Schätzchen belichtet habe, werde ich das Ergebnis hier zeigen.

  • Blende: ƒ/1.8
  • Kamera: iPhone X
  • Aufgenommen: 23 Juni, 2020
  • Blitz: Nein
  • Brennweite: 4mm
  • ISO: 20
  • Position: 49° 51′ 16.05″ N 8° 21′ 43.65″ E
  • Verschlusszeit: 1/276s